Vom 06. bis 09. Januar fand in Las Vegas, vom HiFi-interessierten Publikum weitgehend unbemerkt, die alljährliche Consumer Electronics Show statt.
Da muss ich jetzt mal meinen Senf zutun.
Alarmsignal Nr. 1: Leo war nicht da. Leo Yeh von my-hiend.com, dem rasendsten aller Reporter in Sachen HiFi-Show-Berichterstattung rund um den Globus. Dazu passend:
Alarmsignal Nr. 2: Die Google-Suche nach „CES 2015 show coverage“ lieferte auf den ersten sechs Seiten genau einen unter Audiogesichtspunkten relevanten Treffer: die Tube von enjoythemusic. Fand ich jetzt nicht so informativ. Dafür überschlagen sich die Medien, Sonys neuen „Walkman“ NW-ZX2 für nur 1200 Euro zu präsentieren. Immerhin mit ganz viel Hi-Res und Kram. Der passende „High Resolution“-Kopfhörer kostet übrigens noch mal 600 Euro. Japp, das wird’s bringen.
Alarmsignal Nr. 3: Die altehrwürdige Stereophile. Auch da ist es in Sachen CES zwei Tage nach Messeende noch sehr dünn – aber es wächst. Die zweifellos großartigste Meldung bis jetzt: Dan D’Agostino hat seinem Momentum-Vollverstärker ein Streaming-Modul verpasst und nennt das Ganze jetzt „MLife“. Voraussichtlicher Preis in den Staaten: 48000 Dollar. Ui, da werde ich aber schon ganz nervös. Ja, der letzte Satz macht vom Stilmittel „Sarkasmus“ Gebrauch.
Die werten Kollegen aus der Münchener Peripherie haben immerhin einen CES-Newsticker, der dann aber leider doch nur auf die Seite des hauseigenen Handy-Magazins umleitet. Okay, die dürfen dann vermutlich auch eine der größten kommenden Umweltseuchen vorstellen: „Drahtlos laden aus sechs Metern Entfernung“. Endlich hochfrequente Strahlung mit richtig viel Energie direkt in der Bude – welch ein Glück.
Schließlich wurde ich bei der Audio Federation fündig. Derzeit noch lange nicht fertig, aber wenigstens ein Berg von Bildern. Ich gebe zu, beim Durchklicken durch völlig lieblos zusammengedengelte Hotelzimmer-Minimalpräsentationen mitunter der Verzweiflung ziemlich nahe gewesen zu sein und bis zu Ende durchzuhalten war nicht ganz leicht. Kleiner Tipp am Rande für die Macher: Standboxen im Liegen zu fotografieren um Platz für Hochformataufnahmen zu sparen ist übrigens nicht wirklich eine gute Idee. Trotz allem habe ich ein paar Dinge gefunden, die ich für erwähnenswert halte – ich will hier ja nicht den Eindruck einer negativen Grundhaltung zum Thema zu erwecken. Los geht’s:
Basis Audio. Da gibt’s einen offensichtlich neuen Plattenspieler mit Luftlager und ebenfalls neuem Tonarm. Sieht zumindest so aus, als ob’s funktionieren könnte.
Avid. Das ist ein klasse Plattenspieler, der kleine Ingenium. Abgesehen davon sind mal wieder zwei Jahre oder so rum, und Avid-Eigner Conrad Mas hat wieder mal einen neuen Deutschlandvertrieb. So wird das nie was, Conrad.
ProJect. Da stehen diverse hübsche Plattenspieler (man beachte die letzten fünf Bilder) und hoffentlich bezahlbare Dreher im klassischen Outfit. Gefällt mir.
Westlake. Klar, das sind Legenden aus dem Studiobereich. Deshalb dürfen sie vermutlich auch die hässlichsten Lautsprecher weit und breit verzapfen.
BSC Audio: Da sind sie wieder, die Geschmacklosigkeiten von D’Agostino junior. Dinge, die die Welt nicht braucht.
Kuzma: Sehr hübscher Dreher – siehe Bild vier und fünf von unten. Leider erschließt sich mir gerade nicht, ob das was Neues ist.
Accuphase und diverse: Die Elektronik spielt mit Sicherheit traumhaft, sowas habe ich gerade eine Nummer kleiner im Hörraum. Die Lautsprecher sind (möglicherweise doch nicht), mit Verlaub, ein ziemlich dreister Magico-Klau.
Absolute Creations: Man beachte den Lautsprecher auf dem fünften Bild: Zwei Eton-Treiber, eine Scan Speak-Kalotte, ein ein bisschen von Avalon inspiriertes Gehäuse. Wenn die das nicht grob verrissen haben, spielt das bestimmt gut. Schönes Klang + Ton-Projekt.
International Rectifier: Die Halbleiterbude unter der Ägide von Vishay baut jetzt offensichtlich komplette Schaltverstärkerplattformen. Nicht überraschend.
Audio Research: Da ist sie mal wieder, die Galileo-Verstärkerkombi von Audio Research. Knapp 40000 Euro in Deutschland und so weit weg von Sinn, Verstand und Audio Research, wie es nur geht.
SOtM: Man beachte die niedlichen Helmholtz-Bassabsorber. Derart winzig natürlich kompletter Unsinn.
Zellaton, CH Precision: Das wird gut funktioniert haben. Die Schweizer Elektronik gibt’s jetzt übrigens auch bei uns (Ibex Audio), da muss ich mich dringend kümmern (auch wenn die Preise… naja, Sie wissen schon). Damit habe ich bei verschiedenen Gelegenheiten schon herausragend Musik gehört. Offensichtlich gibt’s noch keine Phonovorstufe, sonst hätten die Sperling-Jungs wohl nicht eine Thöress-RIAA mit in die Anlage schmuggeln müssen ;-).
Manley: Applaus für die originelle Präsentation.
Music Hall: Man beachte die niedliche Plattenaschmaschine. 750 US$. Mal sehen, wo der Preis hier landet.
Straight Wire: Bild 3 – How not to.
ICEpower: Die Dänen bieten ihre bekannten Schaltverstärker nunmehr augenscheinlich auch als Komplettgeräte an.
ATC: Endlich. Gerundete Seitenteile, sich sanft nach hinten verjüngende Gehäuse (Sarkasmus aus). Eine weitere echte Macht im Lautsprecherbereich verrennt sich in die Idee, mit gesichtslosen Kisten mehr verkaufen zu können. Schade.
Usher: Sonus Faber-Finish schlecht nachgemacht, kombiniert mit asiatischen Ästhetikvorstellungen. Echt jetzt?
Ocean Way Audio: Seas-Kalotte im Holz-Waveguide, großer Mitteltöner. zumindest nicht uninteressant.
So. Mehr gibt’s noch nicht und ich gebe zu, dass es dann ganz so positiv doch nicht geraten ist. Wenn Sie Glück haben, ist mein diesbezügliches Pulver jetzt verschossen und kann mich entspannt der Produktion der kommenden Klang + Ton widmen.
Trotzdem hinterlassen diese Messe und ihre mickrige Präsenz in „unserer“ Szene einen schalen Nachgeschmack. Und dann gibt’s da noch einen Kostenaspekt: Ein befreundeter Aussteller erzählte mir jüngst, dass allein für den Transport der verpackten Exponate vom Flughafen zum Hotel sage und schreibe 10000 US$ in Rechnung gestellt wurden – unfassbar. Überflüssig zu erwähnen, dass es natürlich bei Todesstrafe verboten ist, in dieser Hinsicht irgendwie selbst Hand anzulegen. Liebe HiFi-Aussteller – so wie ich das sehe, braucht das Ding kein Mensch mehr. Wenn schon eine Messe in den USA, dann die Denver Show. Oder von mir aus Newport Beach.
Aber die CES, die überlassen wir doch besser den Handyleuten.
Die altehrwürdige Stereophile hat mittlerweile eine durchaus ausführliche Berichterstattung zur CES. Zählt man auch die Schwesterseiten audiostream, innerfidelity und analogplanet dazu, darf die berichterstattung sogar als gründlich gelten; taugt als Alarmsignal nicht so richtig.
Dennoch zeigen ein paar Leserkommentare, z.B. bei http://www.stereophile.com/content/ces-2015-major-opening-or-not-just-another-show, dass Du nicht ganz alleine bist, Holger.
Allgemein zur Preisgestaltung im High End finde ich auch nach wie vor diesen Kommentar von Bruno Putzeys aus dem Jahr 2012 interessant: http://www.diyaudio.com/forums/vendors-bazaar/190434-hypex-ncore-196.html#post2898572
Moin Holger,
vielen Dank für Deine erfrischend offenherzige Kommentierung der Veranstaltung…
Nähme man Audio Research oder BSC Audio zum Maßstab aktueller Strömungen und Entwicklungen in der Branche, müsste man sich ernsthaft Gedanken (Sorgen!) machen.
Dass Audio Research sich erdreistet, seine stromlinienförmige und preislich jenseits von Gut und Böse befindliche G-Serie als „Hommage an den großen Astronomen und Wissenschaftler Galileo Galilei“ zu titulieren und sich damit zu schmücken, finde ich einfach nur peinlich. Das Pikante: Galileo Galilei stammte aus einer verarmten Familie und hatte es zeitlebens nie zu Wohlstand gebracht. Selbst nachdem er als Professor auf den Lehrstuhl für Mathematik in Padua berufen worden war, musste er Schülern Privatunterricht geben, um über die Runden zu kommen. Kaufkraftbezogen hätte er sich also solche Luxusgeräte wie die G-Serie von Audio Research niemals leisten können…
Gruß,
Carsten
Hallo Holger,
die Artikel auf deiner Webseite lese ich schon sehr lange.
Mir ist bisher noch nie dein „Frust“ über Audio so stark aufgefallen, wie in diesem CES Bericht. Vielleicht überinterpretiere ich deine Bemerkungen…
Was ich noch los werden wollte ist zum Thema Internation Rectifier.
Die ausgestellten Geräte scheinen mir Demogeräte zu sein.
IRF baut schon seit vielen Jahren Class-D Endstufenmodule, die man kaufen kann.
So wie ich das sehe, geht es bei dieser Ausstellung, um die neuen Verstärker IC’s: http://www.irf.com/part/2-CH-Integrated-Class-D-Audio-Amplifier/_/A~IR4322M
Und die Elektronik, die auf den Bildern zu sehen ist, sind die Endstufenmodule bzw. die IC’s, die man erwerben kann.
Texas Instruments hat solche LeistungsIC’s auch schon seit Jahren im Programm. Zum Beispiel: http://www.ti.com/product/TAS5121?keyMatch=TAs5121&tisearch=Search-EN
Da du oben schriebst, dass die CES eine reine Fachbesuchermesse ist, ist IRF gar nicht fehl am Platze, wie ich finde…
Grüße.
Viele Dank für die Aufklärung in Sachen Class-D-Amps. Und natürlich ist es richtig, dass IRF und TI bei dieser Veranstaltung goldrichtig sind.
Frust? Ja. Schon. Irgendwie. Aus meiner Unzufriedenheit mit dem Auseinanderdriften von Angebot (neue Standardpreisklasse: US$ 45k) und Nachfrage (Verkaufsquote: vermutlich drei Stück pro Jahr nach Asien) habe ich ja noch nie einen Hehl gemacht, und das Phänomen nimmt ja eher noch zu.
Hallo Holger,
das http://theshownewport.com/show-las-vegas/ ist der Grund für die magere Präsenz der Audiohersteller auf der CES.
Das sehe ich nicht so. „The Show“ Las Vegas war immer eine kleine Parallelveranstaltung, die sich an die CES angehängt hatte. Von quasi zu vernachlässigender Bedeutung praktisch ohne Beteiligung von Ausstellern mit einer gewissen Marktbedeutung. Die CES ist nach wie vor eine Fachmesse ist und nicht fürs breite Publikum geöffnet und es gibt zu der Zeit einfach kein Publikum in Vegas für eine „richtige“ HiFi-Freakshow.
Die Entscheidung der „Show“-Macher, sich auf Newport Beach zu konzentrieren ist völlig richtig. Der Erfolg gibt der Veranstaltung gibt ihnen ja auch Recht.
Moin Holger,
Der „Pro-Jekt“ Link führt ebenfalls zu Avid.
-Wobei der Tonarm ja schon mal passt! 😉
Danke. Ist korrigiert.
Gleiches bei .
Auch wenn man da wirklich nichts verpasst! Unglaublich …
Ups, das ging in die Hose. Da wollte ich mal ganz schlau mit nem HTML-Link arbeiten … 😀
Da sollte BSC Audio stehen.
Auch korrigiert, danke.
So unterschiedlich sind die Gewchmäcker: ich empfinde die neuen ARC-Geräte als das Beste, was ich seit Jahren im High-End-Bereich gesehen habe.
Ich finde die Blaupause zu der Endstufe in Gestalt der D-79 unendlich viel spannender. So muss Audio Research aussehen.
Genau. Genau so.
Rafael
Hallo Holger,
Und ich dachte schon ich bin blöd zum Suchen. Tja, das war ja wohl für unsere Branche wirklich traurig. Danke für die Hilfe wenigstens ein paar Sachen zu finden.
Übrigens bei Accuphase, das sind echte Magicos