Da war was. Etwas mit einem Kaltgeräte-Netzkabel, dass beim eher zufälligen Zweckentfremden offenbarte, dass es solches und solches Kupfer gibt. Und dass die Definition von „ausreichendem Leiterquerschnitt“ offensichtlich einen gewissen Interpretationsspielraum beinhaltet…
Heute war ich mehr oder weniger zufällig bei Ikea. Und da ich immer auf der Suche nach preiswerten Spielsachen zum Zweckentfremden bin, konnte ich an zwei ziemlich ausgewachsenen Steckdosenleisten für 4€99 nicht vorbeigehen. Acht Steckplätze, davon vier als klassische Schuko-Steckdosen, vier als zweipolige Eurodosen ausgeführt – damit kann man schon Einiges mit Strom versorgen. Dazu gesellt sich ein Netzschalter, mechanisch macht das Zeug einen absolut Vertrauen erweckenden Eindruck – kann man sich ja mal ansehen. Und wer weiß, vielleicht taugt sowas sogar für die Anlage. In dem Zusammenhang haben sich schaltbare Leisten nicht wirklich bewährt, aber vielleicht kann man da ja was machen.
Bevor man solcherlei Anwendungen aber in Betracht zieht, sollte erst mal geklärt sein, ob der Billigströmer die Basics beherrscht und tatsächlich in der Lage ist, Netzspannung sicher und verlustfrei zu verteilen. Nachdem mir besagtes Kaltgerätekabel den Salat mit einem Widerstand von satten drei Ohm relativ gründlich verhagelt hatte, bin ich ob der Fertigkeiten solcher extrem günstigen Produkte ziemlich vorsichtig geworden. Um diesbezügliche Sicherheit zu erlangen, empfiehlt sich erst einmal ein Blick ins Innere. Und gegen den hat der Hersteller im Falle von „Koppla“ offensichtlich etwas einzuwenden, denn mit Aufschrauben geht hier mal nix – das Ding ist gleich achtfach vernietet. Das ist nun allerdings gar nicht dazu angetan, mich von eingehenden Untersuchungen abzuhalten – im Gegenteil: Mein Misstrauen war geweckt. Also flugs in die Werkstatt mit der Leite, 5er Bohrer in die Standbohrmaschine gespannt und die Nieten aufgebohrt. Das tut, um es mal ganz deutlich zu sagen, denkbar beschissen. Die Zapfen, die als Mittelstift der Nieten dienen sind massiv, und darauf einen Bohrer zentriert zu bekommen ist so gut wie unmöglich; irgendwann arbeitet sich das Ganze unweigerlich zu Seite weg. Letztlich war das Material zwar zweiter Sieger, die Leiste geöffnet, empfehlen kann ich die Vorgehensweise aber nicht: Dabei geht so viel kaputt, dass an eine Weiterverwendung nicht mehr zu denken ist. Ist nicht weiter schlimm, ich hatte rechtzeitig beschlossen, die knapp 2€50 auf dem Altar von Wissenschaft und Neugier zu opfern.
Was dann letztlich nach diversen Kraftakten und Flüchen zum Vorschein kam, hat mich, ehrlich gesagt, recht angenehm überrascht. Zunächst muss man mal das Gehäusematerial loben, denn der äußerst zähe Kunststoff hat sich meinen Zerlegeversuchen wirklich beeindruckend hartnäckig widersetzt. Ich bin mir fast sicher, dass man über diese Steckdosenleiste problemlos mit dem Auto drüberfahren kann, ohne dass sie ernsthaften Schaden nimmt.
So richtig glaube ich nicht, dass es eine gut funktionierende Methode gibt, die Leiste ohne schwerwiegende Beschädigungen zu öffnen, was etwaige Tuningmaßnahmen schon mal erheblich erschwert: ist zu, bleibt zu, alles andere gibt nach meinem derzeitigen Kenntnisstand (Sie sind hiermit herzlich aufgerufen, selbigen entscheidend zu verbessern) wenig Sinn. Und dabei hätte der schwedische Konzern eigentlich gar keinen Grund dazu, die Innereien dieses Produkt vor neugierigen Blicken zu schützen: „Koppla“ ist absolut anständig gemacht und braucht sich, wie es scheint, auch vor Markenprodukten nicht zu verstecken. Das gute Stück besteht aus den beiden fast untrennbar miteinander verbundenen Gehäusehalbschalen mit den eingeprägten Steckdosenkonturen. Als Kontakte kommen zwei durchgängige doppelte Messingschienen zum Einsatz, die im Bereich der Steckkontakte ein Stück auseinander gebogen sind um Platz für den Stift des Netzsteckers zu bilden. Das funktioniert ausgezeichnet, und mit dem Prinzip befindet sich „Koppla“ in guter Gesellschaft: Ein Vielzahl von Markenfabrikaten setzt auf den gleichen Aufbau.
Im Übrigen scheint es sich bei den Schienen tatsächlich um Messing zu handeln; meinen Verdacht, dass es möglicherweise doch nur billiger mit Messing beschichteter Stahl ist, entkräftete ein Magnet zuverlässig: keinerlei Zeichen von Anziehung. Der aus dieser Technik resultierende Leiterquerschnitt ist übrigens durchaus nennenswert: Wenn ich mir Blechstärke und -höhe so ansehe, dann komme ich im Mittel auf einen effektiven Leiterquerschnitt von sicherlich sechs Quadratmillimetern, wenn nicht mehr. Okay, Messing ist in Sachen Leitfähigkeit kein hochreines Kupfer (tatsächlich ist sein spezifischer Widerstand mindestens vier Mal so hoch wie der von Kupfer), aber in Summe gibt das immer noch ein ziemlich niederohmiges Konstrukt. Da macht die durchgängige Erdungsschiene keine Ausnahme, auc sie wuchtet durchaus nennenswert Metall in die Waagschale. Spätestens jetzt sollte man sich wieder einmal fragen, wie so etwas zum Verkaufspreis von 2€50 überhaupt möglich ist.
Koppla ist kindergesichert. Will sagen: Über jedem Steckkontakt sitzt eine federbelastete Kunststoffabdeckung, die beim Einstecken des Steckers mit ordentlich Kraft zur Seite gedrückt werden muss. Das erfordert einen gewissen Kraftaufwand, aber genau das ist ja auch der Sinn der Sache.
Was uns als bei einer möglichen HiFi-Anwendung allerdings weit mehr interessiert sind Schalter und Zuleitung. Der Leuchtwippschalter macht an und für sich einen ganz guten Eindruck und ist auch elektrisch von der sicheren Sorte – sprich: Er unterbricht beide Strom führenden Leiter – aber trotzdem gilt so etwas bei HiFi-Leuten als Teufelswerk. Über Sinn und Unsinn davon will ich mich an dieser Stelle nicht auslassen, allerdings könenn wir uns durchaus darauf verständigen, dass der Schalter den Stromtransport auf gar keinen Fall verbessert; im Laufe der Zeit mag er, bedingt durch Kontaktabbrand, die Lebensdauer der Angelegenheit durchaus verkürzen und nennenswerte Widerstände in den Stromfluss stellen. Besser wär’s also schon, wenn man ihn loswerden könnte.
Bevor wir das versuchen, werfen wir noch einen Blick auf die restlichen Komponenten. Beim Anschluss des Schalters hat man löblicherweise sogar an Schrumpfschlauch für die (gelöteten) Anschlüsse gedacht; die Zuleitung ist mit einer ordentlichen Zugentlastung am Gehäuse der Leiste befestigt, auch dieses Detail verträgt im Falle eines Falles definitiv eine gröbere Behandlung. Beim Kabel selbst bin ich gebranntes Kind, aber auch da kann bei der Ikea-Leiste nichts passieren: Die angenehm flexible Strippe hat sicherlich 1,5mm² Querschnitt und verhält sich auch elektrisch ohne Fehl und Tadel: Die ausgebaute und an den Enden der beiden Strom führenden Leiter verlötete Leitung hat zwischen den beiden Kontakten des Schuko-Steckers einen Widerstand von gerade einmal 40 Milliohm, wenn ich meinem Multimeter bis in diese Regionen hinab trauen darf. Das ist mal knapp ein Hundertstel dessen, was mir der Stein des Anstoßes vor ein paar Monaten lieferte.
Meiner Meinung nach sind das alles nicht nur Dinge, die mich „Koppla“ vollkommen ruhigen Gewissens auch bei größeren Lasten verwenden lassen, sondern auch eine Verwendung in der HiFi-Anlage so doof nicht erscheinen lassen. Wenn das mit dem Schalter nicht wäre.
Warum ist ein Widerstand in diesem Fall genau schlecht?
Weil jeder Widerstand in der Zuleitung bei schwankender Stromaufnahme der Last für eine schwankende Versorgungsspannung sorgt. Je höher der Widerstand, desto tiefer sackt die Versorgungsspannung ab. Eine Modulation der Versorgung ist aber etwas, das man gar nicht will, weil sich die Effekte in vielen Fällen direkt im Signal wiederfinden lassen.
Hallo Herr Barske,
ich informiere mich gerade über eine „gute“ Stromversorgung und versuche irgendwie Sachliches von Voodoo zu trennen – da bin ich natürlich auch über Ihren Artikel und insbesondere den „Schalter“ gestolpert. Alles nachvollziehbar mit dem Widerstand, aber gibt es nicht auch „gute“ Schalter? Immerhin verbaut auch HMS in den hochpreisigen Serien Schalter, Supra hat welche und in Netzfiltern sind nahezu auch immer Schalter verbaut – ist ja einfach auch praktisch. Wenn ich alles zusammennehme wäre daher eine gute und günstige Netzfilter-Netzleisten-Kombi mit Schalter: HMS RC 1/1 + Music Line Netzleiste. Oder bremst der zentrale Netzfilter die Dynamik des Verstärkers? Od er ist Filter sowieso Voodoo, weil die Komponenten die Netzreinigung übernehmen?
Viele Grüße
Bernd H.
Bei aller Komplexität des Themas versuche ich mal eine salomonische Antwort:
1. Gibt’s „gute“ Schalter? Sicherlich. Zumindest die ersten paar Jahre lang. Danach mag es sich lohnen, mal den Übergangswiderstand zu messen. Ich weiß nicht, was HMS verbaut, aber man darf davon ausgehen, dass man dort Wert auf Qualität legt. Kleiner Tipp zur Verlängerung der Lebensdauer eines solchen Schalters: Nach Möglichkeit nicht unter Last schalten. Unter Last schlagen die Kontakte Funken, das führt zu Kontaktabbrand und Oxidation. Außerdem: Schalter mit mehreren parallel geschalteten Kontakten verwenden. Die schalten grundsätzlich nicht exakt gleichzeitig, so das der „vorwitzigste“ der ist, der den Stress für allen andere abbekommt, gewissermaßen der „Opferkontakt“. Die andere bleiben dadurch wesentlich länger fit.
2. Netzfilter sind generell nicht böse. Filterung funktioniert dann gut, wenn sie erstens erforderlich (heutzutage leider immer öfter) und zweitens auf die zu filternde Last abgestimmt ist. Ein dickes endstufentaugliches Filter zum Beispiel tut vor einer Phonovorstufe praktisch gar nichts. Es gibt Geräte mit eingebauter Netzfilterung, bei denen ist eine externe Lösung in den meisten Fällen kontraproduktiv.
Salomonisch kann ich natürlich gut nachvollziehen – glaube, dass ich trotzdem konkret alles gut verstanden habe;-)) Jetzt suche ich natürlich nach den Schaltern mit parallel geschalteten Kontakten, am besten als Zwischenstecker. Gibt es da „Erkennungsmerkmale“, an denen der Laie in den diversen Online-Shops, die Spreu vom Weizen trennen kann? Tipp wäre nett. Besten Dank.
Viele Grüße
Bernd
Oha, eine gefährliche Lötzinnbastelei an einer Steckdosenleiste. Warum nicht gleich eine vernünftige Steckdosenleiste ohne Schalter für €9,99. Da bezahlt auch die Versicherung im falle eines Brandes.
Viele Grüße,
VDE Freund
Dieselbe Frage stellt sich mir auch, erst eine Leiste mit bösem Schalter kaufen und dann zwei Seitige Artikel schreiben wie man den bösen Schalter wegbastelt – nicht nur das da die VDE erlischt (leider brennt bei solch „Spezialisten“ zu selten die Bude ab, ohne Versicherungsschutz…!), auch fragt man die Sinnhaftigkeit solcher Bastelei – oder wird man jetzt mit vorgehaltener Waffe gezwungen beim Händler seines Vertrauen Leisten mit Schalter zu kaufen…?Aber darauf werden wir von solch Bastel-Bernds keine vernünftige Antwort bekommen, weil es keine gibt!
Sie machen aus einem guten mit CE und VDE Zeichen versehenem Gerät eine zusammengefuschte und gefährliche Bastellöung? Und das alles weil sie für die HiFi Anlage auf den letzten 1,5 Metern ein „Spezialverlängerungskabel“ brauchen?
Völlig richtig. „Zusammengepfuscht“ und „Bastellösung“ trifft’s ungefähr. Und die Erklärung dafür, warum die letzten anderthalb Meter von Bedeutung sind, überlasse ich mit Freuden Hans M. Strassner.
HeHe! Seltsamerweise höre ich wirklich Unterschiede auf dem letzten Meter. So klingt Solid-CoreKabel für mich einfach deutlich besser als Litze… Aber es ist illegal nach der deutschen VDE! Von wegen ortsunabhängige Verbraucher…usw. Man müsste schon die Geräte im Rack festschrauben, um im Versicherungsfall nicht dumm aus der Wäsche zu gucken.