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Frickelfest 2014

„Wir sollten uns mal treffen“: Mit diesen Worten begann der Beitrag im Analogforum, der am 01.01.2008 die Geschichte einer außergewöhnlichen Veranstaltung einläutete: die des Frickelfests.
Zu der Zeit liefen in jenem Forum eine ganze Reihe interessanter Elektronik-Selbstbauprojekte, nicht zuletzt angestoßen durch einige Projekte, die ich seinerzeit in der Klang + Ton veröffentlicht hatte: die bis heute höchst beliebte Transistorendstufe „SymAsym“, der diskrete Halbleiter-Vorverstärker „DisPre“, später dann die großartige Röhrenvorstufe „Hepos“. Die Idee, die an solchen Dingen Interessierten mal im Real Life unter einen Hut zu bekommen, lies mich nicht los und irgendwann hatte ich sowas wie ein Konzept und einen Namen dafür. Zumal die Amerikaner mit ihrem „Burning Amp Festival“ gerade vorgemacht hatten, wie so etwas gehen kann. Nach Frickelfest Nummer sieben können wir mit Fug und Recht behaupten: Das Frickelfest hat „BA“ längst abgehängt und die weltweit einzige in Sachen Aufwand und Größe vergleichbare Veranstaltung ist das „European Triode Festival“ – auch für mich ein unverzichtbarer Termin in jedem Spätherbst.

„FF7“ fand abermals (mittlerweile zum dritten Mal) im altehrwürdigen Kloster St. Gertrudis zu Hedersleben in Sachsen Anhalt statt und wenn es nach uns, also den Teilnehmern und Organisatoren geht, dann wird das auch noch eine ganze Weile so bleiben. „Unser“ Kloster bietet optimale Voraussetzungen dafür, eine Horde Audio-Nerds ein paar Tage lang zu beherbergen und ihnen einen optimalen Spielplatz zur Verfügung zu stellen. In diesem Jahr gab es rund 20 Räume, die wir mit Musik reproduzierenden Gerätschaften vollstellen durften, wovon knapp 70 Leute reichlich Gebrauch gemacht haben. Ein so großzügiges Platzangebot haben viele professionelle HiFi-Messen nicht.

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Sicher, St. Gertrudis ist keine Luxusherberge und könnte gut das eine oder andere Milliönchen für Instandhaltung und Renovierung gebrauchen, aber dafür sind die Räumlichkeiten sehr bezahlbar: Die Frickler haben in diesem Jahr zwischen 90 Euro (drei Übernachtungen im Zelt) und 240 Euro (vier Übernachtungen im Einzelzimmer) bezahlt. Für alle inklusive ist ein Frühstücksbuffet, Kaffee und Kuchen am Nachmittag und Abendessen, ebenfalls vom Buffet. Auch die Versorgung mit Bier und Nichtalkoholischem ist in dem Preis enthalten, ein T-Shirt gibt’s obendrauf. Das geht nur, weil wir eben in einem nicht so angesagten Teil Deutschlands unterwegs sind und uns das Kloster sehr faire Konditionen einräumt.
Es hat eine Zeit gedauert, die „Hausherrinnen“ des Klosters davon zu überzeugen, dass ein geleckter Konferenzraum (auch davon gibt’s eine Handvoll) nicht unbedingt das ist, was der Frickler an sich zum Betrieb seiner Aufbauten braucht: aufgeräumt und leer bedingt fast immer eine problematische Raumakustik. In dieser Hinsicht viel spannender sind die Räumlichkeiten, die uns bisher verschlossen waren: Lagerräume mit Überbleibseln aus der Vergangenheit des Klosters, viel Ostalgie inklusive. Werkstätten mit altem Kram oder schlicht Räume die seit vielen Jahren komplett ungenutzt und unrenoviert sind. Für uns sind Buden voller Kram das einzig Wahre: ein solches Ambiente passt zu den mehr oder weniger rustikalen Exponaten perfekt – viele davon sind ohnehin noch Baustellen.
Überhaupt war „Raumakustik“ ein Thema, das in diesem Jahr viel Beachtung fand: Etliche Teilnehmer rückten mit respektablen Mengen von Minerallwollgebinden an und bauten vor Ort Absorber. Die Erfolge dieser Maßnahmen waren mitunter durchschlagend: Wir hatten große Räume mit hohen Decken, deren Akustik in den letzten Jahren nur durch tatkräftige Unterstützung von einer Menge Bier in den Griff zu bekommen war – in diesem Jahr klang’s mitunter ausgezeichnet. Sehr hilfreich in diesem Zusammenhang: Das Kloster hat uns einen Raum zur Verfügung gestellt, in dem wir solcherlei Dinge lagern dürfen. 2015 haben wir somit einen soliden Grundstock raumakustischer Maßnahmen da, den wir nicht durch halb Deutschland karren müssen.
Sie sehen mir diese etwas ausführlichere Einleitung nach; weitere elementare Fragen zur Veranstaltung werden auf der Frickelfest-Webseite selbst beantwortet.

Was aber gab’s in diesem Jahr Besonderes zu sehen, zu hören und zu lernen?
Jede Menge. Besonders erfreulich finde ich den Umstand, dass ich noch nie eine Veranstaltung, über der irgendwie das Thema „Musik hören“ steht erlebt habe, bei der klassische und brandneue Technologien so unverkrampft koexistieren. Ob analog oder digital war hier gar nicht so die Frage, man tut einfach beides auf verschiedenste Art und Weise. Beispiel gefällig? Da gibt’s diesen Plattenspieler von Philipp. Direkt angetrieben, den Motor gab’s mal für ganz kleines Geld bei Pollin. Gekauft hat ihn irgendwie jeder der Materie Verhaftete, Sinnvolles hat niemand damit getan. Philipp hat, absolut zeitgemäß, eine Motorregelung mit einem Mikrocontrollermodul (Arduino Nano) gebaut, die ganz ausgezeichnet funktioniert. Garniert mit einem Tonarm in bester Well Tempered-Manier (jawohl, so richtig mit Golfball), ist das genau das, was den Frickelfest-Gedanken ausmacht.

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Überhaupt gibt’s eine Menge über Plattenspieler zu sagen: Ich glaube nicht, dass es schon mal ein Event in der Neuzeit gegeben hat, wo gleich drei australischen Studio-Reibraddreher vom Typ Orpheus Silex zu Gast waren, liebevoll hergerichtet von Andreas, Jochen und Markus.

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Dann war da noch der upgedatete Kombinationstriebler von Frank mit sehr trickreichem Tangentialtonarm, den es erstmals beim Frickelfest light im Februar zu bestaunen gab. Und sicher nicht zuletzt gilt es eine waschechte Weltpremiere zu vermelden: Das äußerste beeindruckende, von Riemen- auf Reibradantrieb umbaubare Laufwerk vom litauischen Hersteller Reed – seit Jahren eine feste Größe in Sachen hochwertige Tonarme – erblickte in Hedersleben erstmals das Licht der (naja…) Öffentlichkeit und wurde von Andrejs mit reichlich Musik der härteren Art zu Höchstleistungen getrieben. Jawohl, die professionelle Beschäftigung mit der Maschine folgt in Kürze.

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Klar gab’s noch etliche andere interessante Plattenspieler, aber gefrickelt wurde auch auf anderen Baustellen. So nimmt Rogers Bändchenprojekt (ebenfalls beim Frickelfest light erstmals aufgetaucht) mächtig Fahrt auf, und es gab sehr beeindruckende Egebnisse zu hören.

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In Sachen Lautsprecher war das aber noch lange nicht der Gipfel der Exotik: „Neufrickler“ Johannes hatte sich mit einem Plasma-Koaxwandler angemeldet. Zwar gelang es nicht, den selbst gebauten Plasma-Tweeter im Polkern des verwendeten Tannoy-Tiefmitteltöners sauber zum Funktionieren zu bringen (merke: Plasma ist magnetisch und induziert ganz viel Unerfreuliches in der Schwingspule des Tiefmitteltöners), aber davor montiert hat die Anordnung erstaunlich sinnvolle Töne erzeugt:

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Teile dieses Projektes und auch solche bei Philipps Plattenspieler kamen übrigens aus dem 3D-Drucker, so dass wir mit Fug und Recht behaupten können, dass Audio-Gefrickel in der Neuzeit angekommen ist.
Ohne Computer im weitesten Sinne kommen nur die Anlagen von hartgesottene Vintage-Fans aus, der Frickler an sich sieht das nicht so eng. Streaming mit Raspberry Pi & Co. ist selbstverständlich ein Thema, zu dem Heinz einen gut besuchten Workshop veranstaltet hat:

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Heinz ist übrigens ein Musterbeispiel dafür, wie undogmatisch man als engagierter Hobbyist mit den Thema HiFi umgehen sollte: einen selbstgebauten Holztonarm, montiert auf einen alten Miniaturplattenspieler, hatte er auch dabei – als Bestandteil seines wie üblich ausgezeichnet spielenden und sehr geschmackvollen Setups.
Dann war da noch dieses interessante Endstufen-Shootout. Diverse Pass-Inkarnationen im Vergleich an University-Koaxen auf großer Schallwand offenbarten merklich unterschiedliche Charaktere.

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Erste Überraschung: Der „alte“ Aleph J mit Platinen aus der damaligen Sammelbestellung im Analogforum spielt merklich besser als der mit den neuen Platinen von diyaudio.com. Zweite Überraschung: Mindestens genau so groß wie die Unterschiede zwischen den Verstärkern waren die, die man durch den Wechsel auf ein anderes Netzkabel erzielen konnte. Die eindeutig überlegene Strippe war übrigens eine selbst gebaute. Klanglich wenig spannend: First Watt F6. Klanglich ausgezeichnet: First Watt J2, Aleph J alt und – SymAsym.

Unbedingt erwähnen muss man natürlich Gino, der, ebenfalls zum ersten Mal dabei, gleich sein noch in Entstehung begriffenes höchst ambitioniertes Aktivprojekt mitgebracht hat:

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21″-Bässe, entzerrt. Ein riesiges und ein nicht so riesiges Horn koaxial darüber. Alles DSP-gesteuert. Das System hat während des Fests erhebliche klangliche Fortschritte gemacht; es standen viele gute Leute mit Rat, Tat und Teilen zum Ausprobieren zur Seite. Von dieser Konstruktion wird sicher auch künftig noch zu berichten sein.
Und dann war da noch Thorsten, der seine große selbstgebaute CNC-Fräsmaschine mit ins Kloster brachte, um ihr die ersten Fahrwege zu entlocken und sich Tipps bei den diesbezüglich Vorbelaststen zu holen. Oder Wolfgang, der mal wieder ein neues großes Basshorn entwickelt hat und die strukturelle Integrität des Klosters auf eine harte Probe stellte. Und ganz viele andere Leute, die ganz viel Spaß hatten.

Bilder? aber ja doch: Hier gibt’s die Galerie.

Selbstredend ist das Kloster fürs nächste Jahr schon gebucht, da läuft das Frickelfest von Donnerstag, dem 04. bis Montag, dem 08. Juni.
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