Jeder, der intensiver mit dem HiFi-Virus infiziert ist, hat so etwas: die Vorstellung eines Systems, das man realisieren würde, wenn man so könnte wie man wollte. Die allermeisten von uns können nicht: kein Platz, kein Kleingeld, keine Erlaubnis von der Regierung. Selten, ganz selten taucht mal Einer auf, der’s geschafft und seinen Traum realisiert bekommen hat: Klaus S. ist einer der Glücklichen. Er wohnt in einem kleinen Dorf mitten in den Hügeln des Oberbergischen Landes, was – völlig richtig – nicht weit vom neuen Austragungsort des Frickelfests entfernt ist – genauer gesagt, gerade mal fünf Autominuten. Und Mitfrickler Dietmar – selbst in der Szene bestens bekannt als Betreiber eines großen Hornsystems – der kennt Klaus und hat ihn gefragt, ob wir im ganz kleinen Kreis während des Frickelfests nicht mal kurz bei ihm vorbeischauen dürfen. Wir durften – meinen herzlichen Dank an Dietmar fürs Einstielen und an Klaus für die Gastfreundschaft.
Was Klaus da im geräumigen, von außen per großzügiger Treppe zugänglichen Dachgeschoss seines Hauses realisiert hat, das sucht Seinesgleichen – und es dürfte sehr lange suchen. Auf geschätzten 200 Quadratmetern Fläche hat Klaus nämlich Dinge installiert, die die Allermeisten von uns im Leben nicht mal zu Gesicht oder zu Gehör bekommen, geschweige denn besitzen und betreiben können.
Die Überlegungen, die zur Realisation dieses Wahnwitzes geführt haben, sind für einschlägig Vorbelastete völlig ohne Probleme nachzuvollziehen: Wenn man’s ernst meint, dann gehen in letzter Konsequenz nur gerade (also nicht gefaltete) Hörner, angetrieben mit passenden Druckkammertreibern. Und nach oben hin wir die Luft da dünn: Während der Pöbel sich mit JBL, TAD oder ähnlichem Großserientrödel abgeben muss, setzen die richtigen Fans auf winzige japanische Manufakturen wie Goto (oder ALE – wir berichteten, aber die gibt’s ja nicht mehr). Und wenn man’s mit dem Abstrahlverhalten einigermaßen ernst meint, dann läuft’s auf ein mindestens vierwegiges System hinaus.
Klaus meint’s ernst – und fährt mittlerweile fünf Wege. Das mit den Druckkammertreibern hat er ebenfalls zunächst konsequent bis in den Bassbereich hinunter durchgezogen, aber dem Vernehmen nach war er mit dem Ergebnis nicht gänzlich zufrieden – in erster Linie deshalb, weil der Basstreiber in Sachen Pegel zu schnell am Ende war. Mittlerweile befeuert Klaus seine Basshörner mit (ich glaube) 15 Zoll großen Basschassis konventioneller Bauart – sofern man das bei einem Goto-Erzeugnis überhaupt so nennen kann.
Auch interessant: Fürs obere Ende des Frequenzbereiches sind mittlerweile zwei parallel angesteuerte und nebeneinander angeordnete Treiber zuständig. Das scheint erst mal keine so gute Idee zu sein, aber bei genügendem Hörabstand (der hier eindeutig gegeben ist) funktioniert auch die Addition der Schallanteile beider Treiber.
Die großen Hörner sind eigentlich ziemlich pragmatische MDF-Konstruktionen, die aus Einzelsegmenten unter Zuhilfenahme von reichlich PU-Kleber entstanden sind. Die (mittlerweile, sie waren mal länger) 2,40 m langen Basshörner verlaufen konisch, alles andere öffnet sich schneller.
Bemerkenswert finde ich Klaus‘ Wahl der ansteuernden Verstärker: Er setzt ausschließlich auf Hitachi-Endstufen (HMA-7500) aus den frühen Achtzigern, überhaupt die ersten Verstärker, die mit den damals brandneuen MosFet-Transistoren ausgestattet waren. Für Nerds: 2SK134 und 2SJ49, natürlich seit etlichen Jahren obsolet, Preistendenz am Second-Hand-Markt: stark steigend. Die stammten ebenfalls von Hitachi, die Verstärker waren in erster Linie als „Promo-Vehikel“ für die Halbleiter gedacht. Was auch ziemlich gut funktioniert hat.
Eine Aktivweiche für so ein Setup kauft man natürlich nicht so mal eben von der Stange, sondern man lässt sich sowas bauen – technische Details habe ich gerade nicht, aber es ist das Gerät ganz links im Bild.
Wer in Sachen Quellen nun einen Turm von sündteueren Exoten erwartet, der irrt: Klaus spielt mittlerweile praktisch ausschließlich vom Rechner, einem eher unspektakulären Windows-PC. Einen CD-Player gibt’s auch noch, Analoges gar nicht. Auch musikalisch bevorzugt Klaus Bodenständiges, so dass wir unseren klanglichen Eindrücke ohne die üblichen Jazz-Klassiker sammeln durften – tut auch mal ganz gut.
Also: Platz auf dem Hörsofa nehmen, ehrfürchtig in die Mündungen der gewaltigen Schallgeschütze starren und darauf warten, gleich den Schalldrucktod zu sterben – oder?
Oder. Klaus‘ System ist in Sachen Sound das genaue Gegenteil einer PA. Seine Stärken liegen in der extremen Selbstverständlichkeit, mit dem es Musik reproduziert. Egal, was da gerade spielt, es ist einfach so „da“. Mit absolut schulterzuckender Routine. Da muss man nicht über Tonalität (ohnehin einstellbar) und Dynamik diskutieren. Klar hat Klaus auch mal Krach gemacht. Und natürlich kann der Aufbau das – aber anders, als man es vermuten würde: Der Eindruck von Lautheit stellt sich einfach nicht ein, weil’s so konkurrenzlos locker ist.
Ich gebe zu: Das kann man so wollen und freue mich über die Gelegenheit, sowas mal erlebt haben zu dürfen. Ein paar Bilder mehr gibt’s hier – der Besuch hat nur gut eine Stunde gedauert, deshalb sind’s so viele nicht.