Westdeutsche HiFi-Tage 2019

Und dann war da das altehrwürdige Maritim in Bonn-Bad Godesberg. Jenes mittlerweile ziemlich heruntergekommene Überbleibsel der großen Zeiten der Bonner Republik, in dessen plüschiger Muffigkeit allen Widrigkeiten zum Trotz jedes Jahr die Westdeutschen HiFi-Tage abgehalten werden. So auch in diesem Jahr – und zwar zum zehnten Mal

Stimmt. Ich hatte keine Lust. Was im Wesentlichen daran lag, dass ich am Freitagabend vor der Veranstaltung auf der großartigen 3. Tonzonen Records Label Night war. Und vier Stoner-Rock-Acts am Stück nebst Bier hatten dann doch ein paar Spuren hinterlassen. Dass so ziemlich alles, was mich musikalisch in Bonn erwarten würde, im Vergleich dazu ziemlich weh tun würde war sowieso klar. Ich begann meine Tour in den großen Sälen auf der ersten Etage und fand erst mal alles doof – wie erwartet. Akustisch wurde mir der Einstieg mit Diana Krall, den Eagles und natürlich Nils Lofgren versüßt und ich wollte weg. Gerettet hat mich Ulf Moning (Dynamikks), der in einem relativ kleinen Raum ein echtes Killer-Setup zusammengestöpselt hatte:

Ich dachte, ich seh‘ nicht recht – sollte er da im Ernst ne alte Altec Model 14 aufgefahren haben? Nö, Ulf hat seine eigene Version des Klassikers entwickelt. Die heißt „Dynamikks Model 12“ und hat richtig ernste Töne gemacht. Das Beste an den Vintage-Zweiwegerichen ist ihr Preis: zwei Kiloeuro pro Stück. Made in Germany. Großes Tennis! Angesteuert wurde die Chose übrigens von einem Single-Ended-Amp des vietnamesischen Herstellers Thivan Labs. LP-Stammleser kennen den schon als Lautsprecherhersteller. Hier haben die Jungs eine gute alte Senderöhre vom Typ 811A mit ordentlich Gitterstom dazu überredet, die dreißiger Pappe und das Horn samt Druckkammertreiber so richtig wohin zu treten. Der Amp kostet Zweiacht und passt perfekt! Natürlich habe ich die ganze Rutsche sofort geordert – kommt in die übernächste LP.

HiFi-Messetag gerettet.

Solchermaßen gestärkt, traute ich mich auch gleich auf vermeintlich dünnes Eis und gab diesem Monster-Setup eine Chance. Riesenkisten mit Horn – was sollte da auch schiefgehen?

Zugegeben – das ist mal was anderes. Ganz besonders die Christo-mäßige Aufmachung der Basstürme. Ja, das soll so. Nein, man muss es nicht auspacken, damit die „richtigen“ Gehäuse zum Vorschein kommen. In denen stecken übrigens vier Zwölfzöller pro Seite, was ein absolut adäquates Pendant zu dem ziemlich gewaltigen Kugelwellenhorn in der Mitte ist. Es klingt erstaunlich zivilisiert. Obenherum eher sanft als rabiat, natürlich mit publikumswirksam viel Schub in den unteren Lagen. Alles beliebig einstellbar, DSP-Filterung sei Dank. Das ganze läuft unter dem Label „Pure Emotion“ und es ist beileibe noch nicht raus, ob das überhaupt mal ein Produkt wird. Falls ja, dann wird’s so 70000 Euro kosten. Inklusive der verstärkenden, filternden und streamenden Elektronik.

Äußerst angenehm fand ich die Unterhaltung(en) mit Firmenchef und Elektronikmann Sascha Schweizer, der mir völlig bullshit-frei alles über den Lautsprecher erzählte, was ich wissen wollte und mit gesundem Pragmatismus an diesen ersten öffentlichen Auftritt seiner Konstruktion heranging.

Einer der wenigen Vertriebe, der in der jüngeren Vergangenheit der HiFi-Szene einen echten Aufwärtstrend zu verzeichnen hat ist Björn Kraayvangers Len HiFi. Das sage ich nicht nur aus Respekt vor einem Ex-Kollegen (Björn war mal Außendienstler bei uns), sondern weil’s echt auffällt. Er vertreibt ein spannendes Produktportfolio – ich darf nochmal kurz an den äußerst attraktiven Pre-Audio-Plattenspieler mit luftgelagertem Tangentialarm erinnern, Test hier. Und Björn war einer der Wenigen, bei denen ich mich mit dem aktuellen Tool-Album föhnen durfte. Und der überhaupt wusste, was das ist. Was bei einer Vielzahl von Aussteller übrigens nicht der Fall war, was ich in Anbetracht der Gewalt des Einschlags von „Fear Inoculum“ in der Musikszene ziemlich erschütternd finde.

Kleine Last-Minute-Info: Björn kümmert sich ab jetzt deutschlandweit um die Lautsprecherpreziosen von Kaiser Acoustics. Ziemlich exklusiv, aber erfahrungsgemäß auch sehr lecker.

Das nächste ganz besondere Erlebnis in Sachen Lautsprecher ließ nicht lange auf sich warten und zierte die Ausstellung von Michael Kromschröders Klangloft. Der spielt nämlich ein Pärchen Breitbandlautsprecher vom polnischen Hersteller Cube Audio, die ich bislang nur gesehen, aber nicht gehört hatte.

Ganz große Klasse. Und endlich mal Breitband ohne „aber“: mit Bass, Höhen und einer fein austarierten Tonalität. Um so erfreulicher, dass MK ein Pärchen für mich dabei hatte, das wir in der nächsten Klang + Ton ausführlich vorstellen werden. Ja, das sind teure Spielsachen, aber da scheint in diesem Fall echt was dran zu sein.

Speaking of Punktschallquellen: Das nächste angenehme Erlebnis in dieser Hinsicht gab’s bei unseren alten Bekannten von Blue Planet Acoustic. Die spielten eine Box mit dem jüngst von uns in der K+T in Augenschein genommenen 8″-Tang Band-Koax, was auch ziemlich klasse war.

Ach komm, einer aus dieser Abteilung geht noch:

Diese durchaus spezielle Interpretation des Koaxialthemas stammte von Jawil Audio und funktionierte ebenfalls prächtig für, wenn ich mich recht erinnere, sehr faire 1500 Euro pro Seite. Sehr erwachsen und komplett, mit ordentlich Drive. Die leckere PS-Audio-Ansteuerung mag ihren Teil dazu beigetragen haben. An einer Geschichte über den brandneuen Stellar Phono Preamp arbeite ich gerade.

Den inoffiziellen Tool-Contest hat übrigens Jörg Bohne gewonnen – da krachte „Invincible“ echt mächtig. Und das, obwohl er dieses Mal nur kleines Besteck dabei hatte.

So Leute, das muss reichen als kleiner samstagvormittäglicher Messerundgang ohne jeglichen Anspruch auf Vollständigkeit. Draußen isses nett, ich mach jetzt irgendwas ohne HiFi ;-).

Ach ja, Bilder – klar doch.

2 Gedanken zu „Westdeutsche HiFi-Tage 2019

    1. Andre

      Für die Huldigung, der bei mir seit nunmehr 1,5 Monaten in Heavy Rotation befindlichen Göttergabe „Fear Innoculum“ hat Herr Barske einen schön kantigen Stein in meinem Brett!

      Antworten

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