Impressionen vom ETF 2011

Nun kann man nicht sagen, dass das HiFi-Metier nicht verstärkt bemüht wäre, sich einer breiteren Öffentlichkeit zu stellen. Für den härteren Kern der Enthusiasten wird’s allerdings erst dann richtig interessant, wenn Kommerzielles (weitgehend) außen vor bleibt und man „unter sich“ ist – wir am vergangenen Wochenende beim European Triode Festival

Geschafft. Wieder einmal. Trotz Zeitmangel, Alkohol-Überdosierung und Schlafdefizit war die 2011er Ausgabe des ETF ein echtes Highlight meines persönlichen Nerd-Fi-Jahres. Was natürlich an den rund 110 Teilnehmern lag, aber auch und ganz besonders an der exquisiten Organisation des Melaudia-Teams, das ein letztes Mal eine absolut reibungslose und hochinteressante Veranstaltung an die französische Kanalküste gezaubert hat. Das nämlich war das dritte ETF in Frankreich, und damit gemäß der Statuten der Veranstaltung das letzte. Zur Zukunft des Events kommen wir später noch.

Das ETF ist von je her ein Tummelplatz für Neues, Altes, Extremes und auch ganz Normales in Sachen Audio. Und auch in diesem Jahr waren all diese Begrifflichkeiten wieder vortrefflich mit Inhalten besetzt. Die vermutlich größte „Strahlkraft“ hatte das, was die Veranstalter im Salon der Veranstaltungsräumlichkeit aufgebaut hatten: gleich drei Kinosysteme aus vergangenen Tagen gaben sich ein Stelldichein. In monophoner Ausführung, stereo wäre schlicht nicht unterzubringen gewesen. Und so gab’s eine klassische Altec A7 Voice Of The Theater, ein Western Electric-Horn vom Typ 22 mit Bassergänzung und ein WE 15 – naturgemäß schon ob seiner beeindruckenden Abmessungen das auffälligste Exponat. Daran gab’s denn auch gleich drei unterschiedliche Treiber zu hören und ich war durchaus angetan: Der riesige Trichter spielt sehr dezent, lebendig und überhaupt nicht aufdringlich.

Zum Rahmenprogramm des diesjährigen ETF gehörte wieder ein „Shootout“, und diesmal wurden Plattenspieler gegeneinander ins Rennen geschickt. Grundvoraussetzung für die Teilnahme war nur die Ausrüstung mit einem Denon DL103 als Abtaster, der Rest stand jedem Teilnehmer frei. Ich hab‘ nur die zweite Runde mit den acht verbliebenen Teilnehmern mitgemacht, und die Ergebnisse waren ziemlich interessant. Viele heilige Kühe der Platten drehenden Zunft waren zu dem Zeitpunkt bereits ausgeschieden, auch ein paar echte Ikonen wie etwa ein EMT 930 und ein Kenwood L07.
Die letzten vier im Rennen verbliebenen Maschinen waren interessanterweise mit Tonarmen aus Berlin ausgerüstet: Zweimal Thomas Schick, zweimal Frank Schröder. Letzterer fuhr mit seinem gewaltigen Commonwealth-Spieler (der stand im letzten Jahr in unserem Setup) denn auch den Gesamtsieg ein, und das meiner Meinung nach völlig zu Recht. Den zweiten Platz hat übrigens der relativ schlichte, aber sehr schicke Thorens von Johannes Lebong belegt – ich habe mich übrigens sehr darüber gefreut, Johannes und seine Gattin endlich einmal persönlich kennengelernt zu haben.
Inwieweit der Tonarm für Franks Erfolg beim Shootout erforderlich war vermag ich nicht zu sagen, aber in jedem Falle hat der leidenschaftliche Analog-Ästhet mit seinem neuen Arm vom Typ „LT“ („Linear Tracking“) die Platten abspielende Welt wieder einmal mit einer kleinen Sensation beglückt, hat er doch einen vom Prinzip her simplen, aber extrem trickreichen Tangentialarm gebaut: Der LT ist ein Drehtonarm, hat keine Kröpfung und ist trotzdem praktisch spurfehlwinkelfrei. Applaus, Frank, von dem Arm wird sicherlich noch zu berichten sein.

Weit weniger technisch oder musikalisch, für mich aber in diesem Jahr noch viel wichtiger war der Umstand, dass ich endlich mal den Strand von Stella gesehen habe. Auch ohne ETF kann man’s da übrigens sehr gut aushalten, und im Sommer bei entsprechenden Temperaturen sicherlich noch viel besser.

Unser eigener Auftritt hat wieder einmal sehr viel Spaß gemacht. Wir hatten drei Paar Lautsprecher, drei Endverstärker, eine Line- und eine Phonovorstufe dabei, den Plattenspieler stellte verabredungsgemäß Frank Schröder: Der wunderschöne australische Orpheus Silex aus den Fünfzigern wurde später übrigens Dritter beim Shootout.
Die eigentliche Überraschung in unserem „Wohnzimmer“ (wir schleppen bewusst immer Teppiche, Raumakustikelemente, Beleuchtung und richtiges Mobiliar auf solche Veranstaltungen) aber war ein Lautsprecher, den ich eigentlich nur als Notreserve mitgenommen hatte, weil er Kompakt ist und noch gut ins Auto passte: die Nada.
Dass der Scan Speak-Zweiwegerich auf einer ausgewiesenen Hochwirkungsgrad- und Röhrenveranstaltung überhaupt zum Zuge kam war schon überraschend, aber dass er sich zum Renner bei den beinharten Triodenfans entwickelt hätte ich nun wirklich nicht gedacht. Allerdings sprach die Box auch ziemlich überzeugend für sich. Insbesondere ab dem Zeitpunkt, als sie von einer erschütternd guten Elektronik befeuert wurde: Frank Blöhbaum stellte uns eine Phonvorstufe, eine Linestage und ein Paar Endstufen aufs Rack, die sich so richtig gewaschen hatten. Von der Phonovorstufe weiß ich gerade nicht sehr viele Details, in der Line stecken vier sehr ungewöhnliche Röhren (zwei RC5B und zwei AA). Die Endstufen (die hat Ralf Raudonat gebaut) sind Monos auf 6S33-Basis und wurden von Frank Blöhbaum auf echte 25 Watt gekitzelt. Das ist sogar für die Nada mehr als ausreichend, wie sie mit ordentlich Pegel und einem überaus knackigen Sound bewies.
Eine weitere Überraschung hatte Schröders Frank uns für den Samstag Abend versprochen: einen ganz besonderen Tonabnehmer. Und so fand dann noch ein wohl einzigartiges Konstrukt mit einem Kaktusdorn als Nadelträger den Weg unters Headshell des Orpheus. So ganz perfekt hinbekommen haben wir das Setup dafür allerdings dann doch nicht mehr, es wurde spät und wir mussten am Sonntag zeitig raus und einpacken.

Das jedoch weitaus Wichtigste beim ETF sind die Teilnehmer selbst: Man führt soviele hochinteressante Gespräche, dass die Zeit kaum reicht, sich mit allen Anlagen und Geräten zu beschäftigen. Insbesondere habe ich mich über eine lange Unterhaltung mit Kult-Entwickler JC Morrison gefreut, der wieder einmal mit Brillanz und Eloquenz auf sich aufmerksam machte. Seine Gedanken zu m Thema Lautsprecher werden sicherlich Folgen für das eine oder andere Klang + Ton-Projekt haben. Zudem freue ich mich außerordentlich darüber, dass die „älteren Herren“ wie der Holländer Adrianus van Doorn oder der in Frankreich lebende Grieche Aristide Polisois nach wie vor jedes Jahr dabei sind und mit Scharfzüngigkeit und Fachkundigkeit brillieren.
Meinen tiefen Respekt verdient auch Silvercore-Betreiber Christof Kraus, der live vor Ort nacheinander drei Verstärkerkonzepte zusammengebaut und im Setup der immer gut gelaunten dänischen Teilnehmergruppe gespielt hat. Das sind die Dinge, von denen das ETF lebt.

Womit wir bei den Jahren 2012 bis 2014 wären. Das ETF gastiert für die nächsten drei Jahre nämlich – in Deutschland. Genauer gesagt, am Rande Berlins, im ehemaligen Osten. Das, was ich bis dato von der neuen Location gesehen und gehört habe macht einen so spannenden Eindruck, dass ich da sicherlich nicht fehlen werde. Was ich allerdings wohl auch unter weniger optimalen Voraussetzungen nicht tun würde ;-). Interessenten mögen sich vielleicht schon mal den das Wochenende vom 22. Bis 25. November vormerken.

Ach ja: Natürlich gibt’s auch noch viel mehr Fotos. Jochen war ebenfalls fleißig mit dem Auslöser und hat sehr sehenswerte Aufnahmen produziert.
Hier geht’s außerdem zur offiziellen Foto-Sammelseite für die Veranstaltung.

14 Gedanken zu „Impressionen vom ETF 2011

  1. Maier Werner

    Hallo, mein Name Maier Werner
    ich komme aus Österreich und befasse mich auch schon seit längerem mit Röhrenverstärker, bin aber kein Entwickler ,
    ich habe eine Story gelesen über Herr Adrianus van Doorn Niederlande,
    über einen Verstärker den er gebaut hat im 2014, halb Röhre halb Halbleiter,
    meine Frage , gibt es da nähere Informationen z.B. Schaltung oder vielleicht eine Adresse Mail von Herrn Doorn, der Amp würde mich sehr interessieren,
    ich wäre sehr dankbar wenn ich eine Antwort bekommen würde,
    vielen dank Maier Werner

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  2. Johannes LeBong

    Apropos kleine Boxen. Yves-René hatte die brandneuen punktierten FOSTEX Winzlinge dabei, die unglaublich sauber, kohärent, breitbandig und dabei mit einen warmen Klangbild spielten. Dürfte in dem Bereich kaum zu toppen sein, habe jedenfalls noch nichts besseres gehört. Sein Verstärker, im schwarz eloxierten Alugehäuse, war auch gut und bildhübsch, wie ich finde.
    Solche Mini-Boxen funktionieren natürlich nur als Nahfeld-Monitore, was unter den gegebenen Randbedingungen ganz klar ein Vorteil war, da der umgebende Raum akustisch unvorteilhafte Eigenschaften aufwies.

    http://www.lebong.de/etf2011/22-1280.jpg

    Meine eigenen Lautsprecher im gleichen Raum hörten sich richtig grässlich an, viel zu präsent; sie ließen Grundton, Farbe und Körper vermissen. Auch von anderen Lautsprechern auf dem ETF, wie z.B. den großen TANNOY-Monitoren oder den QUAD-Panels, weiß ich ganz sicher, dass sie unter günstigeren Umständen um Klassen besser klingen. Sogar das WESTERN-ELECTRIC-System spielte unter bekanntem Niveau, man durfte aber ungefähr ahnen, was in ihm steckt. Leider hat man bei solchen Festivals halt keine Chance alles stimmig hinzutrimmen.

    Die Anlage von Bodo und Hartmut spielte übrigens meiner Meinung nach ganz schön und wirkte auch frickelmäßig so komplex und improvisiert, incl. kleiner Pannen, wie es sich eigentlich für’s ETF gehört. Man geht ja nicht zuletzt da hin, weil man etwas interessantes sehen möchte, wobei die allzu profihaft wirkenden Designs, die im Stil der industriellen HiFi-Gerate daherkommen, für mich persönlich die langweiligsten sind.

    Bei Holger und Jochen fühlte man sich wie in einem HiFi-Wohnzimmer-Simulator – so war’s recht gemütlich und sie hatten auch schöne Geräte da. 🙂

    Nochmals vielen Dank an alle, die mit zu diesem tollen ETF beitrugen!

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  3. roman_p

    @hb: abgesehen davon das die Bilder immer erstklassig sind freue ich mich am meisten darüber, das du neuerdings mehr links zu Bildern und Personen einfügst. Früher (meine ich) mußte man immer suchen, was könnte denn da angesprochen sein…

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  4. Frank B.

    Hallo zusammen,
    ich bewundere jedes mal, mit welchem Aufwand ihr die nackte Vorführ-Höhle in ein wohnliches und – noch wichtiger – sehr hörtaugliches Zimmer verwandelt. Die dafür nötige Schlepperei, Aus- und Einpackerei mag ich mir gar nicht vorstellen… Einen großen Dank an Jochen und Holger für die tolle Gastfreundschaft in Eurem „Wohnzimmer“!
    Noch ein paar Daten zur Phonostage:
    – Röhrenbestückung pro Kanal D3a / PCL84 / PFL200
    – 2 Gainblöcke pro Kanal, darin eingebettet ein Reinhöfer LCR-Netzwerk für die passive Entzerrung
    – Rauschen dank BestPentode-Schaltung so niedrig, dass MC auch ohne Übertrager möglich ist. Die trotzdem eingebauten Lundahls sind der Problemlöser bei extern eingestreutem Brumm.
    Dieser Phonoamp ist ein allererster Prototyp und so eine Art Technologieträger für den eigenen Hausgebrauch.

    Ansonsten haben mich Eure Nadas sehr überzeugt! Bisher hielt ich die Focal 1008 Be und die Isophon Galileo für die besten kleinen, noch bezahlbaren Regalboxen. Die Nada hält da locker mit, spielt frisch und dennoch rund und kann großes Orchester mühelos wiedergeben. Die Musik war so begeisternd, dass wir trotz heftigem Schlafdefizit bis 3:00 Uhr morgens einfach nicht wegkamen, man hatte immer das Gefühl, etwas zu verpassen…

    Beste Grüße, Frank

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  5. Jochen

    Hallo,

    ich war ziemlich begeistert welche Leichtigkeit das WE15 Horn hatte. So ganz „hornuntypisch“.
    … obwohl nur Mono konnte man super länger davorsitzen und sehr entspannt hören…

    Die Verstärker von Frank Blöhbaum waren auch für mich ein Highlight in unserem Setup – Chapeau! Frank

    Bjørns Verstärker im Setup der Berliner Fraktion hat uns eine schöne Samstag (Hör)Nacht gebracht – wobei die PX25 Endstufe von Frank ja auch immer noch einen Schnapp Reflex bei mir hervorbringt…

    Andrejs große Hörner mit den Breitbändern spielten auch sehr lecker – der Freitag Abend war toll Andrejs – Deine Musikauswahl war große Klasse!!!

    … man kann gar nicht alles schreiben, was toll war – Wichtig war, dass es immer eine „Wohlfühlatmosphere“ gab …

    Zu guter letzt sei noch die perfekte Organisation unserer französischen Gastgeber erwähnt – eine Organisation, die gar nicht aufgefallen ist aber funktioniert hat ist die hohe Kunst…

    LG Jochen

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  6. hb Beitragsautor

    Franks Tangentialarm heißt übrigens „LT“ für „Linear Tracking“ und nicht „SL“, wie ich fälschlicherweise behauptete.
    Das macht’s mir leicht, nen LT hab‘ ich schon :-).

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  7. Hartmut

    Hallo Holger,

    Du hast die Doppel-Quads von den Holländern nicht erwähnt, die wirklich sehr gut geklungen haben. Ich bin leider erst am Sonntagmorgen dazu gekommen, mir die anzuhören. Und das WE 15-Horn war echt toll, das transportiert die luftige, lässige musikalische Kraft bis in den Grundtonbereich hinein, noch deutlich mehr als ein Sato.

    Gruß, Hartmut

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  8. oliver jüngling

    hallo holger, für alle, die zu hause bleiben mussten sind deine kommentare und fotos wieder mal eine kleine (große) entschädigung und sind so gut, dass man ein kleines bisschen das gefühl hat, dabei gewesen zu sein. danke dafür! oliver

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