Durchhänger

Warum man beim Erwerb alter Basschassis aus Beschallungsanwendungen vorsichtig sein sollte

Das hier, das ist so einer. Ein prächtiger Achzehnzöller vom Typ JBL 2242H. Sowas bekommt man von Zeit zu Zeit mal auf den einschlägigen Plattformen für interessantes Geld, grundsätzlich mit einer Zustandsbeschreibung in Stile von „alt, aber perfekt funktionstüchtig“. Meist in Verbindung mit einem Foto von der Anzeige eines Digitalmultimeters, die uns suggerieren will, dass der Gleichstromwiderstand der Schwingspule irgendeine Aussagekraft hätte.

Richtig ist: Der Konus ist freigängig, er kratzt nicht beim Ansteuern mit dem üblichen 20-Hertz-Sinus und alles ist in bester Ordnung. Oder?

Werfen wir mal einen genauen Blick auf die Sicke des Töners. Dabei stellen wir fest, dass die „Doppelwelle“ dann doch nicht so genau in der Waagerechten liegt, wie das vielleicht sein sollte. Im Bild ist das nicht so ganz leicht zu erkennen. Stellt man den Treiber auf die Seite, ändern sich die Verhältnisse nicht nennenswert, der Konus ist einfach zu weit „drinnen“. Er kommt auch nicht wieder raus, wenn man das Ding „aufs Gesicht“ legt.

Der Grund dafür ist der Zahn der Zeit. Der Treiber hat mit Sicherheit jahrelang auf der Rückseite im Regal gelegen und die gut 150 Gramm bewegter Masse haben bei Sicke und Spinne im Laufe der Zeit ihren Tribut gefordert. Das verwundert insbesondere dann nicht, wenn der Treiber lange Jahre im PA-Betrieb ernsthaft gefordert wurde, dann sind sämtliche Aufhängungskomponenten nämlich ziemlich weichgeprügelt. Ja, würde man das Ganze umdrehen und abermals ein paar Jahre warten, ließe sich das Phänomen wieder umkehren.

Und? Ist ein Zustand wie der dieses 2242H ein Beinbruch? Das kommt darauf an, wie weit die Unsymmetrie fortgeschritten ist. Einsichtigerweise sorgt das Phänomen dafür, dass der mögliche Hub in eine Richtung um das Maß des Verzugs abnimmt. Bei Heimanwendungen kommt man möglicherweise pegelmäßig nicht in Regionen, wo das eine Rolle spielt. Wer das Ding aber in einem Beschallungs-Setup verwenden oder einen Closed-Box-Subwoofer mit aktiver Bassanhebung realisieren will, der wird mehr oder weniger dramatische Einbußen beim Maximalpegel feststellen, die den Treiber in dieser Form unbrauchbar machen.

Was man dagegen tun kann? Mit ganz viel Fingerspitzengefühl und Erfahrung die Zentrierspinne tauschen, meist ist die der praktisch alleinige Übeltäter. Oder am Besten gleich ein komplettes Reconing in Auftrag geben.

Kaum ein privater Verkäufer solcher Treiber weiß um diese Dinge und achtet dementsprechend auch nicht darauf. Deshalb gilt, wie ich neulich schon sagte: Kauft man sowas, sollte man darauf vorbereitet sein, dass alles außer Korb und Magnet für die Tonne ist.

3 Gedanken zu „Durchhänger

  1. Gerrit Ranck

    Vielen Dank für den Hinweis !Ich bin gleich erschrocken aufgesprungen und habe meinen auf dem Kleiderschrank liegenden RCF L18 P300 begutachtet und auch eine leichte Absenkung der Membran feststellen können (trotz relativ harterEinspannung). Ich habe das Chassis sogleich umgedreht. Vor ca. 9 Jahren hatte es noch seine Dienste im Achenbach-Sub-Gehäuse verrichtet, wollte allerdingsnicht so recht mit einem Paar CT 250 (trotz verschlossener Reflexrohre) harmonieren.Erfahrungen mit gnadenlos zerbröselten Schaumstoffsicken habe ich leider auch gemacht: 10 Zoll Bässevon Davis im 3 Weger „Volkano“ (K&T Bauvorschlag aus alten Zeiten). Ein weiteres Problem war eine nicht trocknende Membranbeschichtung (oder ein Klebstoff, welcher die geflochtenen Kohlefasersträngeverbinden sollte). Dies erzeugte eine unschöne, permanente Staubbeschichtung – auch bei den Mitteltonmembranen aus Kevlar.Da lobe ich doch die guten alten Papiermembranen. Gerbot Gerrit Ranck

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  2. Rafael

    Guten Abend,das betrifft aber nicht nur JBL- Treiber. Das Drehen der Chassis im -naja- jährlichem Zyklus ist zumindest nicht verkehrt. Das „Wandern“ der Membranen habe ich bisher allerdings nur bei den mit Schaumstoffsicken versehenen Chassis beobachten können. Ich habe ein paar aus -damals sagte man noch Discotheken- erworbene Chassis, die wirklich ein schweres Leben hatten und noch perfekt funktionieren und unbenutzte originale reconing- Kits, bei denen der Schaumstoff trotz Lagerung in lichtgeschützter Verpackung vor sich hinbröselt…Die 18″ sind aber schon eine Macht…Der Zahn der Zeit…es bleibt schwierig.Rafael

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    1. hb Beitragsautor

      Vollkommen richtig, das ist beileibe kein JBL-Phänomen. Generell sind Treiber mit bereits ordentlich weichgeprügelter Einspannung gefährdeter als fabrikfrische. Also: alte JBLs ;-). Wie ich bereits schrub: In erster Linie ist die Zentrierspinne das Problem, weniger die Sicke. Und Schaunstoffsicken sind per Definition mit begrenzter Halbwertszeit gesegnet – sie lösen sich halt in Luft auf, wenn die Weichmacher herausdiffundieren. Da wirkt UV-Bestrahlung unterstützend, das passiert aber auch ohne.

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